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Namen als Programm: Zur Bedeutung von Namensgebungen in der Hebräischen Bibel

  • vw1575
  • 12. Apr.
  • 2 Min. Lesezeit

Die Hebräische Bibel ist ein Text voller Namen – doch diese sind weit mehr als bloße Identitätsmarker. Sie sind von konkreten Absichten getragen. Biblische Namen sprechen, erzählen, kommentieren und werten. Sie sind Teil der erzählerischen Struktur und oft bewusst gewählte Werkzeuge, um die Aussageabsicht eines Textes zu unterstreichen. Wer die Bibel literarisch und theologisch ernst nimmt, sollte diese Namensgebungen nicht als zufällig oder rein historisch betrachten, sondern als Teil einer kompositorischen Strategie.


Adam und Eva: Mensch und Leben


Bereits in den ersten Kapiteln der Genesis begegnen uns zwei paradigmatische Namen: „Adam“ (אָדָם) und „Eva“ (חַוָּה, „Chawwah“).


- „Adam“ leitet sich von „adamah“ (אֲדָמָה) ab, dem hebräischen Wort für „Erde, Ackerboden“. Der Mensch ist also der "Erdling" – ein Geschöpf, das mit der Erde verbunden ist. Gleichzeitig ist „Adam“ aber auch einfach das Wort für „Mensch“ (Gattungsbegriff), besonders in der priesterschriftlichen Theologie.

- „Eva“ bedeutet "Leben" oder "die Lebensspendende". In Genesis 3,20 heißt es explizit: „"Und der Mensch nannte seine Frau Eva, weil sie die Mutter aller Lebendigen ist."„


Diese Namen sind „Programm“: Sie deuten die theologische Funktion der Figuren. Adam steht für das Menschsein schlechthin, Eva für die Lebenskraft, die aus der Verbindung von Mensch und Erde hervorgeht. Sie sind keine zufälligen Personen, sondern „Verdichtungen menschlicher Existenz im Symbolnamen“.



Moab und Ben-Ammi: Polemik durch Namensgebung


Auch an anderen Stellen zeigt sich, dass Namen in der Bibel polemisch und abwertend eingesetzt werden. Besonders deutlich wird das in Genesis 19,37–38:


- „Moab“ bedeutet "aus dem Vater". Der Name spielt direkt auf den inzestuösen Ursprung des Volkes der Moabiter an: die Tochter Lots wird von ihm schwanger.

- „Ben-Ammi“ heißt "Sohn meines Volkes" – ebenfalls ein Hinweis auf den innerfamiliären Ursprung der Ammoniter.


Beide Namen dienen nicht der neutralen Erzählung, sondern sind „Teil einer politischen und ethnischen Abwertung“. Die Herkunft dieser Völker wird erzählt, um sie zu „diskreditieren“. Die Namen tragen den Makel der Entstehungsgeschichte in sich.


Bedeutungsvolle Namensänderungen


Nicht selten ändert Gott selbst die Namen von Menschen. Diese Umbenennungen markieren „theologische Zäsuren“:


- „Abram“ wird zu „Abraham“: von "erhabener Vater" zu "Vater vieler Völker" (Gen 17,5)

- „Sarai“ wird zu „Sara“: von "meine Herrin" zu "Fürstin"

- „Jakob“ ("Fersenhalter, Betrüger") wird zu „Israel“ ("Gottesstreiter"), nachdem er mit Gott gerungen hat (Gen 32)


Diese Namenswechsel sind „Identitätsveränderungen“. Der neue Name spiegelt die neue Beziehung zu Gott oder die neue Berufung wider. Der Mensch wird durch die Gottesbegegnung verwandelt – und dies zeigt sich in seinem Namen.


Theologische Funktion von Namen


1. „Namen als Deutungen der Lebensrealität“: In vielen Geburtsgeschichten wird der Name als Ausdruck eines Ereignisses oder Gefühls gegeben (z. B. Jabez = "Schmerz", 1 Chr 4,9).


2. „Namen als Träger von Verheißung“: Jesaja benennt seine Kinder mit prophetischer Bedeutung (z. B. „Schear-Jaschub“ = "Ein Rest kehrt um", Jes 7,3).


3. „Namen als Ausdruck politisch-theologischer Ideologie“: Die Namen der Gegner Israels werden oft abwertend dargestellt (z. B. "Pharao" ohne Eigenname, "Nebukadnezar" mit Spottformeln in Spätschriften).


Fazit


Namen in der Bibel sind mehr als Bezeichnungen – sie sind „Botschaften“. Sie erzählen Herkunft, Charakter, Berufung oder gesellschaftliche Stellung. Sie deuten Geschichte und konstruieren Wirklichkeit. Besonders in einem erzählerisch so dichten und theologisch reflektierten Werk wie der Hebräischen Bibel sind Namen „nicht zufällig“, sondern integraler Bestandteil der Komposition. Wer sie versteht, liest tiefer. Denn: „Ein Name ist in der Bibel nie nur ein Name.“

 
 
 

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