top of page

Christenverfolgung heute – eine differenzierte Bestandsaufnahme

  • vw1575
  • 26. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit

1) Einleitung: Vielstimmigkeit eines umkämpften Begriffs


Der Ausdruck Christenverfolgung entzündet sich an harten Fakten – Haft, Gewalt, Diskriminierung –, ist aber zugleich ein politisch und theologisch aufgeladener Deutungsrahmen. Er konkurriert mit Begriffen wie Religionsfreiheit, Diskriminierung oder Harassment und wird von Kirchen, Regierungen, NGOs und Rechtspopulisten teils sehr unterschiedlich gefüllt. Genau diese Ambivalenz macht eine kritische, quellenbasierte Analyse notwendig.


2) Historische Tiefenschärfe: Christenverfolgung in der Alten Kirche


Schon im Römischen Reich kam es zu phasenweisen, regional variierenden Repressionen (z. B. unter Decius 249–251 n. Chr., Diokletian 303–311 n. Chr.). Neuere Forschung betont, dass viele Märtyrerberichte literarisch überformt sind und das Ausmaß der Gewalt lange überschätzt wurde. Dennoch prägten Begriffe wie διωγμός (Verfolgung) oder μαρτυρία (Zeugnis/Martyrium) die christliche Identitätsbildung – für fundamentalistische Bibelausleger bis heute ein Beleg dafür, dass die Kirche „in der Welt bedrängt“ bleiben werde, während liberale Exegeten die Texte eher als machtkritische Protestliteratur lesen.


3) Wenn Verfolgte zu Verfolgern werden


Mit der Konstantinischen Wende kehrte sich das Machtgefälle um: Ketzer-, Juden-, Hexen-, „Heiden“- und später auch indigene Gemeinschaften wurden von christlich legitimierten Herrschaftssystemen unterdrückt – vom römisch-katholischen Inquisitionsapparat bis zu kolonial-protestantischen Strafgesetzen in Neuengland, wo Quäker sogar hingerichtet wurden . Diese Gewalttradition mahnt, heutige Opferdiskurse nicht von der Eigenverantwortung christlicher Institutionen abzukoppeln.


Antike Arena, brennende Gotteshäuser & Kerzendemo verbinden Geschichte, Gegenwart & Hoffnung, im Vordergrund geöffnetes Buch mit Handschellen drauf

4) Christenverfolgung heute: empirische Befunde


• Open Doors schätzt, dass 380 Mio. Christen „hohem bis extremem Druck“ ausgesetzt sind; allein in den Top-50-Ländern seiner World Watch List 2025 lebten 310 Mio. Betroffene, 4.476 wurden 2024 getötet .

USCIRF verzeichnet 2023/24 „systematische, anhaltende und eklatante“ Verletzungen der Religionsfreiheit in Staaten wie Nordkorea, Nigeria, Indien oder Nicaragua .

Pew Research Center weist für 2022 Belästigungen religiöser Gruppen in 192 von 198 Ländern nach; physische Gewalt traf Christen in 49 Ländern, allerdings ohne Gewichtung nach Intensität.


Motive (idealtypisch verdichtet)

Motivation

Beispiele

Autoritärer Staatsatheismus

Nordkorea, Eritrea

Religiöser Nationalismus

Hindutva in Indien, buddhistischer Chauvinismus in Myanmar

Islamistischer Extremismus

Boko Haram & IS-Ableger in Nigeria, Sahel, Syrien

Ethno-politische Konflikte

Mittelgürtel Nigerias, Oromia/Äthiopien

Ideologische Säuberung

Ortega-Regime in Nicaragua (gegen Kirche als Oppositionsmotor)


5) Verfolgung im weiteren Kontext von Minderheitenunterdrückung


Christen sind weltweit die größte Religionsgemeinschaft; in vielen Ländern sind andere Minderheiten (Yaziden, Ahmadiyya, Humanistinnen …) noch verwundbarer. Wer nur Christinnen fokussiert, läuft Gefahr, strukturelle Gewalt gegen nichtreligiöse, ethnische oder sexuelle Minderheiten zu übersehen. Das zeigen etwa parallele Angriffe auf Moscheen, Synagogen oder LGBT-Gruppen in denselben Regionen wie Kirchen. Eine intersektionale Perspektive verhindert selektive Empathie.


6) Definitions- und Messprobleme


Open Doors versteht Verfolgung als „jede feindliche Haltung, jedes Wort oder jede Tat aufgrund der Identifikation mit Christus“. Diese Weite ermöglicht Aufmerksamkeit für „weichen“ Druck, erschwert aber Vergleichbarkeit. Pew arbeitet dagegen mit dem breiteren, religionsneutralen Kriterium der Harassment und weist selbst darauf hin, dass schon ein einzelner Vorfall ein Land in die Statistik bringt. Dazu kommt die Dunkelziffer-Problematik: In Ländern ohne Pressefreiheit sind Gewalttaten schwer belegbar.


Kritik an Rankings wie der World Watch List bemängelt hausgemachte Indizes, mangelnde Transparenz und die Vermischung von empirischer Datenerhebung mit Lobby-Zielen. Für belastbare Vergleiche ist deshalb Triangulation mehrerer Datensätze (Open Doors, Pew, USCIRF, akademische Feldstudien) unerlässlich.


7) Instrumentalisierung durch rechte Ideologien


Rechtspopulistische Akteure in Europa und den USA bedienen sich des Narrativs einer angeblich „untergehenden christlichen Mehrheitskultur“, um antimuslimische Stimmung zu schüren. Empirische Studien zeigen, dass der Glaube an eine umfassende Christenverfolgung bei Anhängern des christlichen Nationalismus Ausgrenzung („out-group hate“) verstärkt. Die Berkeley-Studie zu Islamophobie beschreibt, wie solche Diskurse strukturelle Benachteiligung von Muslim*innen in Gesetzgebung und Alltagsrassismus legitimieren.


Hier verschwimmen Grenzen zwischen berechtigter Sorge um bedrängte Gemeinden (z. B. in Syrien) und politischer Agitation gegen Migration oder Religionsfreiheit von Muslim*innen. Eine seriöse Berichterstattung muss deshalb stets Kontext liefern, dezidiert zwischen Akten staatlicher oder extremistischer Gewalt und pluralistischen Gesellschaftskonflikten unterscheiden und Verschwörungserzählungen zurückweisen.


8) Biblische Deutungen: fundamentalistisch vs. liberal

Fundamentalistische Perspektive

  • Betonung von Endzeit-Prophezeiungen (Mt 24 u. a.), διωγμός als Zeichen geistlichen Kampfes.

  • Tendenz, auch kulturelle Spannung in westlichen Demokratien (z. B. Gender-Debatten) als „Verfolgung“ umzudeuten.

Liberale/exegetisch-kritische Perspektive

  • Sieht frühe Märtyrerberichte als Identitätsnarrative einer randständigen Minderheit, die Machtansprüche des Imperiums subversiv unterlief.

  • Unterscheidet sorgfältig zwischen Einschnitten in religiöse Privilegien und echter Unterdrückung fundamentaler Rechte.


9) Fazit und Ausblick

1. Unverzichtbare Solidarität: Wo Christen wegen ihres Glaubens getötet, vertrieben oder entrechtet werden, ist klare Solidarität geboten – so wie für jede andere verfolgte Minderheit.

2. Methodische Redlichkeit: Daten sollten offen gelegt, nachprüfbar gewichtet und mit anderen Quellen gegengeprüft werden.

3. Kontextsensibilität: Nicht jede Einschränkung kirchlicher Machtstellung ist Verfolgung; erst die Verletzung fundamentaler Menschenrechte legitimiert den Begriff.

4. Abwehr von Instrumentalisierung: Wer Leid betroffener Gemeinden benutzt, um Islamfeindlichkeit oder national-religiöse Exklusivismen zu forcieren, pervertiert den Einsatz für Religionsfreiheit.

5. Theologische Selbstkritik: Kirchen dürfen ihre eigene Gewaltgeschichte nicht ausblenden und sollten interreligiöse Allianzen gegen jede Form von Unterdrückung suchen.


So entsteht eine wissenschaftlich fundierte, zugleich selbstkritische Rede von Christenverfolgung, die Opfern Gehör verschafft, aber nicht zum Resonanzraum ideologischer Narrative wird.


Dieser Artikel wurde mit Hilfe von KI erstellt und bildet meine Meinung ab.

 
 
 

Comments


bottom of page