Warum lassen wir unsere Jugendlichen theologisch im Regen stehen?
- vw1575
- 17. Sept.
- 2 Min. Lesezeit
Zur Misere aufgeklärter Jugendliteratur
Wer die evangelikale Buchhandlung betritt, erlebt ein Feuerwerk: bunte Andachtsbücher für Teens, spannende Romane mit christlichem Dreh, Comics, Glaubenskurse, Jugendbibeln in allen Farben. Für jede Altersgruppe, für jede Lebenssituation gibt es erbauliche und missionarische Literatur. Evangelikale Verlage haben eine klare Mission: Jugendliche sollen im Glauben gestärkt werden – mit allen Mitteln.
Und bei uns, im landeskirchlich-aufgeklärten Spektrum?
Gähnende Leere.
Natürlich – wir haben kluge Bibelkommentare, theologisch reflektierte Sachbücher, ab und zu eine Kinderbibel oder ein religionspädagogisches Arbeitsheft. Aber wo finden 12- bis 14-Jährige, die gerade mitten in der Konfirmandenzeit stehen, inspirierende, literarisch ansprechende Texte, die ehrlich mit Zweifeln umgehen, die kritisch denken und trotzdem spirituell berühren?
Fakt ist: Wir bieten ihnen fast nichts.
Woran liegt das?
• Wir scheuen uns vor „Erbauungsliteratur“, weil wir Angst haben, missionarisch zu wirken.
• Wir vertrauen auf Schule, Konfirmandenunterricht und Bildungsarbeit – aber Jugendliche lesen eben nicht gerne Unterrichtsmaterial in ihrer Freizeit.
• Wir haben keinen Verlag, keine Strukturen, keine Kultur, die in dieser Altersgruppe präsent ist.
Das Ergebnis: Wir überlassen das Feld komplett den Evangelikalen. Wer als Jugendlicher neugierig auf Glauben ist, stößt auf Andachtsbücher mit konservativer Theologie – und findet in der aufgeklärten Kirche: nichts.

Die offene Frage
Kann eine aufgeklärte Theologie überhaupt jugendgerecht erzählen?
Oder haben wir uns so sehr an Distanz und Kritik gewöhnt, dass wir nicht mehr fähig sind, Literatur zu schaffen, die Jugendliche packt, begeistert und trägt?
Ich glaube: Wir müssen es wieder lernen.
Jugendliche brauchen nicht nur Unterricht, sondern auch Inspiration. Sie brauchen Geschichten, in denen ihre Zweifel vorkommen, ihre Fragen, ihre Sehnsucht nach Sinn. Und sie brauchen das alles in einer Sprache, die sie ernst nimmt, nicht belehrt und nicht von vornherein die Antworten festzurrt.
Ein Weckruf
Es ist an der Zeit, dass die Landeskirchen den Mut aufbringen, in diesem Bereich zu investieren.
• Warum gibt es keinen aufgeklärten Jugendverlag?
• Warum keine Reihe „Glauben denken – für Teens“?
• Warum keine landeskirchlich geprägte Jugendbibel, die Zweifel und Pluralität nicht verschweigt, sondern integriert?
Denn, faktisch: Wenn nicht wir die Jugendlichen prägen, werden sie von anderen geprägt.
Und diese anderen haben oft kein Problem damit, einfache Antworten zu geben, klare Linien zu ziehen, Glauben schwarz-weiß darzustellen. Genau damit aber verlieren wir unsere Jugendlichen – nicht nur an „die Konkurrenz“, sondern vor allem an eine Art zu glauben, die mit unserer eigenen Tradition der Freiheit, der Aufklärung und der Menschenwürde wenig zu tun hat.
Wenn wir weiterhin zögern, riskieren wir, dass die nächste Generation gar nicht mehr lernt, dass man Glauben und kritisches Denken, Spiritualität und Aufklärung, Sehnsucht und Zweifel zusammenhalten kann.
Und jetzt?
Vielleicht muss man gar nicht lange warten, bis „die Kirche“ reagiert. Vielleicht ist es Zeit, dass wir selbst anfangen zu schreiben. Dass wir die Lücke nicht länger beklagen, sondern füllen. Denn eines ist klar: Jugendliche lesen nicht, was wir für sie haben. Sie lesen nur, was es überhaupt gibt.








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