Die Offenbarung des Johannes: Naherwartung, Bildsprache und heutige Auslegung
- vw1575
- 4. Juli
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Aktualisiert: 5. Juli
Die Offenbarung des Johannes ist eines der faszinierendsten, aber auch umstrittensten Bücher der Bibel. Ihre kraftvollen Bilder, ihre geheimnisvolle Sprache und die dramatischen Visionen vom Ende der Welt haben Theologen, Künstler und Endzeitpropheten gleichermaßen beschäftigt. Doch gerade weil das Buch mit dem Anspruch beginnt, "bald" (griechisch: *en tachei*) einzutreffen (Offb 1,1; 22,6-7), stellt sich eine grundlegende Frage: Wie kann ein Text, der ein baldiges Ende der Welt ankündigt, noch heute auf Ereignisse gedeutet werden, die mehr als 1900 Jahre später geschehen?
Die Naherwartung im Text
Die Offenbarung beginnt und endet mit Formulierungen wie:
* "was bald geschehen muss" (1,1; 22,6)
* "die Zeit ist nahe" (1,3; 22,10)
* "siehe, ich komme bald" (3,11; 22,7.12.20)
Solche Aussagen sind nicht metaphorisch gemeint. Der Verfasser Johannes rechnete offensichtlich mit einem baldigen Eingreifen Gottes in die Geschichte. Er lebte unter dem Eindruck römischer Verfolgung, religiöser Bedrohung und politischer Machtlosigkeit. In dieser Situation sprach er den Gemeinden Trost zu: Das Unrecht hat nicht das letzte Wort. Bald wird Gott eingreifen.
Wie konnten die ersten Leser das verstehen?
Die ursprünglichen Adressaten der Offenbarung waren christliche Gemeinden in Kleinasien. Sie lebten inmitten eines polytheistischen Umfelds, unter der Dominanz des Römischen Reiches und zunehmend unter dem Druck, dem Kaiserkult zu huldigen. Viele der Bilder der Offenbarung dürften für sie unmittelbare Beüge gehabt haben:
Das "Tier aus dem Meer" (Kap. 13) konnte als Symbol für Rom oder den Kaiser verstanden werden.
Die "Hure Babylon" (Kap. 17) war für viele ein durchsichtiger Verweis auf die Stadt Rom.
Die Zahl 666 (Kap. 13,18) wurde vermutlich als verschlüsselte Anspielung auf Nero gelesen.
Die Bilder waren also nicht beliebig, sondern im damaligen Kontext klar kodiert. Johannes schrieb in einer Sprache, die seine Hörer kannten: prophetisch, symbolisch, aber doch

Und heute?
Viele Menschen deuten die Offenbarung heute auf aktuelle Ereignisse. Kriege, Umweltkatastrophen, Pandemien, politische Umbrüche – all das wird mit apokalyptischen Passagen in Verbindung gebracht. Das ist verständlich, denn die Bildsprache der Offenbarung ist so offen und universell gehalten, dass sie sich scheinbar auf fast jede Zeit anwenden lässt:
Die Reiter der Apokalypse? Krieg, Hunger, Seuchen – in jeder Epoche gab es sie.
Das Malzeichen des Tieres? Von Barcode über Mikrochips bis zur Digitalisierung.
Die endzeitlichen Kriege? Schnell mit jedem geopolitischen Konflikt in Verbindung gebracht.
Das Problem dabei ist: Die eigentliche Aussage des Textes wird dadurch entkernt.
Denn die Offenbarung will nicht zur Spekulation verleiten, sondern Hoffnung stiften. Sie richtet sich an Menschen in Not und Bedrängnis und sagt: Gott sieht das Leid. Das Unrecht hat ein Ende. Die Mächte dieser Welt sind nicht ewig.
Was tun mit der Naherwartung?
Wenn wir anerkennen, dass Johannes und seine Gemeinden mit einem baldigen Ende rechneten, das nicht eintrat, können wir zweierlei tun:
1. Historisch ehrlich bleiben: Die Naherwartung ist Teil der frühen christlichen Hoffnung, vergleichbar mit Paulus oder den Evangelien. Sie ist ein Ausdruck existenzieller Hoffnung in Bedrängnis, nicht ein gescheiterter Zeitplan.
2. Theologisch weiterdenken: Die Offenbarung bleibt aktuell, weil sie Fragen stellt, die bis heute relevant sind:
Was trage ich durch, wenn ich unter Druck stehe?
Wo finde ich Hoffnung, wenn das Böse mächtig erscheint?
Wie halte ich an Gerechtigkeit fest, wenn sie bedroht wird?
Fazit
Die Offenbarung ist kein Endzeitkalender, sondern ein Trostbuch. Ihre Bilder sind stark, ihre Sprache dramatisch – aber ihr Herz schlägt für Menschen, die nach Hoffnung rufen. Wer sie heute liest, sollte das wissen: Nicht der Weltuntergang ist das Zentrum der Botschaft, sondern die Zusage, dass das Leben siegen wird – nicht durch Macht, sondern durch das "Lamm wie geschlachtet" (Offb 5,6).
Heute stehen wir vor der Herausforderung, diesen Text weder zu belächeln noch fanatisch zu missbrauchen. Vielleicht hilft uns dabei ein Perspektivwechsel: Die Offenbarung ist kein apokalyptischer Countdown, sondern ein poetischer Weckruf. Sie ruft uns auf, in schweren Zeiten wach zu bleiben – und auf das Gute zu hoffen.
Wenn du dich gerade fragst, wie es weitergehen soll – politisch, persönlich oder spirituell – dann lies die Offenbarung nicht als Weltuntergangs-Szenario, sondern als Einladung, deinen Glauben lebendig zu halten. Halte fest an dem, was dich trägt. Sieh die Visionen nicht als Angstmacher, sondern als Hoffnungsbilder. Denn wer in dunkler Zeit von Licht spricht, hält die Welt offen für Veränderung.
Diese Botschaft trägt bis heute – ganz ohne Sensationslust und Datenspekulation.
Diesen Text habe ich mit Hilfe von KI erstellt. Er spiegelt meine Meinung wider.
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