Mit Gott hart verhandeln - ein biblisches Motiv
- vw1575
- 24. Juni
- 3 Min. Lesezeit
In der Bibel begegnen uns immer wieder Szenen, in denen Menschen mit Gott verhandeln. Das ist insofern erstaunlich, als dass sich Gläubige Gott als ausgesprochen souverän und natürlich als allwissend, allwirksam und allmächtig vorstellen. Warum sollte sich ein Gott, der alles kann und weiß, überhaupt auf eine Verhandlung mit einem Menschen einlassen? Doch letzten Endes zielt das Konzept des Gebets genau auf diesen Punkt: Gott ist ansprechbar und interessiert sich für das, was uns bewegt. Im Folgenden sollen zentrale biblische Beispiele für solche Verhandlungen dargestellt und anschließend mit einem berühmten außerbiblischen Beispiel verglichen werden.
1. Abraham verhandelt um Sodom (Genesis 18,16–33)
Als Gott Abraham mitteilt, dass er Sodom und Gomorra wegen ihrer großen Schuld zerstören will, tritt Abraham für die Stadt ein. In einem intensiven Dialog fragt er Gott: „Willst du auch den Gerechten mit dem Gottlosen wegraffen?“ Und: „Vielleicht sind fünfzig Gerechte darin?“ (V. 23f.) In kleinen Schritten handelt Abraham die Zahl der notwendigen Gerechten herunter – bis auf zehn. Gott geht auf jedes Angebot ein. Diese Szene zeigt: Gott lässt mit sich reden. Und Abraham steht als Mensch für Gerechtigkeit ein – auch wenn die Verhandlung letztlich nicht zum Erfolg führt, weil die Stadt keine zehn Gerechten aufweist.
2. Mose nach dem Goldenen Kalb (Exodus 32,7–14)
Nachdem das Volk Israel ein Götzenbild gemacht hat, droht Gott, es zu vernichten. Mose tritt dazwischen und erinnert Gott an seinen Bund mit Abraham, Isaak und Jakob: „Warum will dein Zorn entbrennen wider dein Volk […]? Gedenke an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel, denen du geschworen hast [...]“ (V. 11.13). Die Erzählung endet mit dem bemerkenswerten Satz: „Da gereute den Herrn das Unheil, das er seinem Volk zugedacht hatte.“ (V. 14). Mose appelliert nicht nur an Gottes Gnade, sondern auch an seine Ehre und seine Verlässlichkeit.

3. Hiskias Gebet (2. Könige 20,1–6)
Der Prophet Jesaja kündigt dem todkranken König Hiskia an, dass er sterben werde. Doch Hiskia wendet sich im Gebet an Gott, weint und erinnert an seine Treue. Daraufhin kehrt Jesaja um und überbringt ihm eine neue Botschaft: Gott hat sein Gebet gehört, seine Tränen gesehen – und schenkt ihm fünfzehn weitere Lebensjahre. Diese Szene betont die Wirksamkeit des Gebets und die Bereitschaft Gottes, auf menschliche Klage zu reagieren.
4. Amos widerspricht dem Gericht (Amos 7,1–6)
In zwei Visionen sieht Amos das drohende Gericht Gottes über Israel: einmal durch Heuschrecken, einmal durch Feuer. Beide Male ruft Amos: „Ach, Herr, mein Gott, vergib doch! Wie soll Jakob bestehen, denn er ist ja klein?“ (V. 2.5). Und beide Male „reute es den Herrn“, das Gericht auszuführen. Erst in der dritten Vision (Amos 7,7–9) gibt es keinen Widerspruch mehr – der Ernst der Lage ist unausweichlich geworden. Die Szenen zeigen, dass prophetische Fürbitte Teil des Berufungsverständnisses ist.
Außerbiblischer Vergleich: Mohammed verhandelt die Zahl der täglichen Gebete (Hadith, Sahih al-Buchari)
In der islamischen Überlieferung steigt der Prophet Mohammed bei seiner Himmelsreise bis zu Gott empor. Gott gebietet fünfzig tägliche Gebete. Mose, den Mohammed auf dem Rückweg trifft, rät ihm, mit Gott zu verhandeln – die Menschen würden das nie schaffen. Mohammed geht mehrfach zu Gott zurück, und schließlich wird die Zahl auf fünf reduziert. Auch hier zeigt sich das Motiv: Ein Mensch verhandelt mit Gott – und Gott lässt mit sich reden.
Fazit
Die Bibel zeigt an verschiedenen Stellen, dass Gottes Wille nicht als starr dargestellt wird. Menschen dürfen, ja sollen mit Gott sprechen, diskutieren, widersprechen. Die Grenze ist dort erreicht, wo keine Gerechtigkeit mehr zu retten ist (wie bei Sodom) oder der göttliche Wille feststeht (wie in Amos’ dritter Vision). Aber der biblische Gott ist nicht unnahbar – er hört, er lässt sich bewegen. Das eröffnet Spielräume für das Gebet – nicht nur als Unterwerfung, sondern auch als verantwortliches Gespräch zwischen Mensch und Gott.
Zum Weiterdenken
Aufmerksame Leserinnen und Leser werden bemerken, dass die Verhandlungsszene abrupt abbricht und der Gesamtplot ohne Überleitung weitergeht. Was auf den ersten Blick vielleicht gar nicht groß auffällt, ist in Wirklichkeit ein Hinweis auf einen möglichen Bruch im Text. Handelt es sich bei der Verhandlung um den Einschub eines späteren Redaktors? Ist möglicherweise eine Überleitung im Laufe der Überlieferung weggebrochen? Ist der Bruch theologisch beabsichtigt, um anzuzeigen, dass man mit Gott doch nicht bis zum Letzten verhandeln kann? Diesen Text habe ich mit Hilfe von KI erstellt. Er spiegelt meine Meinung wider.
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