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Was war das Unrecht von Sodom?

  • vw1575
  • 8. Apr.
  • 2 Min. Lesezeit

Wenn von "Sodom" die Rede ist, denken viele Menschen an sexuelle Verfehlung, insbesondere an Homosexualität. Diese Deutung hat sich tief ins kollektive christliche Gedächtnis eingegraben. Doch ein genauerer Blick in die hebräische Bibel zeigt: Diese Deutung ist ein Missverständnis, das erst in der späteren kirchlichen Tradition dominant wurde. Tatsächlich schildert die Bibel das Unrecht von Sodom als eine Mischung aus Gewalt, Arroganz, Wohlstand und sozialer Kälte.


Genesis 19: Gewalt gegen Fremde


Im Zentrum der klassischen Erzählung steht Genesis 19. Zwei Engel besuchen Lot in Sodom. Er nimmt sie gastfreundlich auf. Doch die Männer der Stadt umstellen das Haus und fordern:


"Führe sie zu uns heraus, damit wir sie erkennen." (Gen 19,5)


Das hebräische Wort "erkennen" (יָדַע) wird hier offensichtlich sexuell gemeint, und zwar in Form einer geplanten Gruppenvergewaltigung. Es geht also nicht um einvernehmliche Sexualität, sondern um die gewaltsame, demütigende Ausübung von Macht über Fremde. In einer Kultur, in der Gastfreundschaft höchstes Gut war, stellt dieses Verhalten eine maximale Perversion sozialer Ordnung dar.


Ein dramatisches biblisches Landschaftsbild bei Abenddämmerung: Die Stadt Sodom liegt im Hintergrund, über ihr ziehen dunkle Gewitterwolken auf. Im Vordergrund verlässt Lot mit zwei engelhaften Gestalten die Stadt. Im Hintergrund beginnen erste Flammen vom Himmel zu fallen. Stil: klassisches Ölgemälde, gedeckte Farben, ausdrucksstarke Stimmung.
Ein dramatisches biblisches Landschaftsbild bei Abenddämmerung: Die Stadt Sodom liegt im Hintergrund, über ihr ziehen dunkle Gewitterwolken auf. Im Vordergrund verlässt Lot mit zwei engelhaften Gestalten die Stadt. Im Hintergrund beginnen erste Flammen vom Himmel zu fallen. Stil: klassisches Ölgemälde, gedeckte Farben, ausdrucksstarke Stimmung.

Die prophetische Deutung: Hochmut und soziale Ungerechtigkeit


In Hesekiel 16,49 wird das Unrecht von Sodom sehr explizit beschrieben:


"Siehe, das war die Schuld deiner Schwester Sodom: Hoffart und alles in Fülle und sichere Ruhe hatte sie mit ihren Töchtern; aber dem Armen und Elenden halfen sie nicht"


Hier wird deutlich: Es geht nicht primär um Sexualethik, sondern um soziale Ethik. Sodom war eine wohlhabende Stadt, die ihre Ressourcen egoistisch verteidigte. Wer arm oder fremd war, hatte keinen Platz. Arroganz und Gleichgültigkeit gegenüber den Schwachen werden hier als zentrale Sünden genannt.


Spätere Entwicklungen: Die Sexualisierung des Sodom-Motivs


Erst in der frühchristlichen Rezeption, z. B. im Judasbrief Vers 7, wird Sodom mit "Unzucht" und dem "Hinterherlaufen anderem Fleisch" in Verbindung gebracht. Diese Wendung kann auf sexuelle Grenzüberschreitungen hindeuten, muss aber nicht notwendigerweise homosexuelles Verhalten meinen. Vielmehr könnte es sich um eine Anspielung auf interkulturelle oder interhimmlische Vermischungen handeln (vgl. die "Söhne Gottes" in Gen 6).


Im Laufe der Kirchengeschichte verengte sich die Deutung immer mehr auf Fragen der Sexualmoral. Dabei ging der ursprüngliche biblische Fokus auf soziale Gewalt, Unterdrückung und Gastfeindlichkeit weitgehend verloren.


Fazit: Sodom steht für strukturelles Unrecht


Die Geschichte von Sodom ist kein Beleg für eine spezifische Sexualmoral, sondern eine Anklage gegen eine Gesellschaft, die sich durch Reichtum, Arroganz, Gewalt gegen Schutzbedürftige und völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid anderer definiert. Wer heute von "sodomitischem Verhalten" spricht, sollte dies nicht auf sexuelle Orientierung beziehen, sondern auf den biblisch gemeinten Kern: eine Gesellschaft, die keine Gäste aufnimmt, die die Schwachen demütigt und sich selbst für unfehlbar hält.

 
 
 

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