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Wie kann Gott das zulassen?

  • vw1575
  • 3. Mai
  • 4 Min. Lesezeit

Die Frage nach Gott und dem Leid: Theodizee als Zumutung und Zumutbarkeit

Warum lässt Gott das zu? – Es ist eine der ältesten und radikalsten Fragen der Menschheit. Und sie ist nicht abstrakt. Sie stellt sich mit aller Wucht in Momenten des persönlichen Zusammenbruchs, bei Katastrophen, Krankheiten, Kriegen, beim Verlust eines geliebten Menschen. Sie trifft nicht nur Gläubige. Aber wer an einen guten Gott glaubt, muss diese Frage in einer Tiefe aushalten, die existenziell und intellektuell zugleich ist.


Was ist Theodizee?

Der Begriff „Theodizee“ (gr. theós = Gott, díkē = Gerechtigkeit) wurde von Georg Wilhelm Leibniz geprägt. Er versuchte, die Existenz von Übel und Leid mit dem Glauben an einen allmächtigen, allwissenden und gütigen Gott zu versöhnen. Seine Lösung: Diese Welt sei „die beste aller möglichen Welten“, in der auch das Übel eine rationale Funktion erfülle.

Doch diese Antwort erscheint heute naiv. Nach Auschwitz, nach dem Völkermord in Ruanda, nach dem Massaker von Butscha – bleibt ein solcher Optimismus zynisch.


Das klassische Theodizee-Problem

Die Frage lässt sich formal so stellen:

1. Gott ist allmächtig.

2. Gott ist allgütig.

3. Es gibt Leid und Böses.

Diese drei Aussagen scheinen nicht gleichzeitig wahr sein zu können. Entweder ist Gott nicht allmächtig, oder er ist nicht gütig – oder es gibt ihn nicht.


Ein einsamer Mensch steht auf einem weiten, dunklen Feld unter einem bewölkten Himmel. In der Ferne leuchtet ein schwaches, warmes Licht – kaum sichtbar, aber hoffnungsvoll. Der Mensch wirkt klein, aber aufrecht. Keine Engel, keine dramatischen Effekte, sondern schlichte, existenzielle Stimmung: Einsamkeit, Fragen, aber auch Würde. Die Szene soll eine Mischung aus Trostlosigkeit und leiser Hoffnung vermitteln – wie ein Gebet ohne Worte. Der Stil soll realistisch bis leicht malerisch sein, mit gedämpften Farben.

Mögliche Antworten – und ihre Probleme

1. Freiheitsargument (Augustinus)

Gott wollte keine Marionetten, sondern freie Wesen. Freiheit schließt die Möglichkeit des Bösen ein.

Kritik: Dieses Argument greift bei moralischem Übel (Kriege, Gewalt), nicht aber bei Naturkatastrophen oder genetischen Erkrankungen. Und es entlastet Gott nur scheinbar: Warum hat er eine Welt erschaffen, in der Freiheit so zerstörerisch sein kann?

2. Seelenschulung (Irenäus, moderne Theodizeen)

Leid bildet den Charakter, ermöglicht Wachstum, Empathie, Tiefe.

Kritik: Dies kann zynisch wirken gegenüber den Opfern sinnlosen Leids. Müssen kleine Kinder verhungern, damit andere Empathie lernen? Ist jede Katastrophe pädagogisch?

3. Gott leidet mit (Moltmann)

Im Kreuz leidet Gott mit der Welt. Er ist kein unbeteiligter Beobachter.

Stärke: Tröstlich. Ein Gott, der weint.

Kritik: Mitleid ist keine Erklärung. Warum muss er überhaupt mitleiden, wenn er das Leiden verhindern könnte?

4. Deus absconditus – der verborgene Gott (Luther, Hiob)

Gott entzieht sich. Wir können ihn nicht durch unsere Vernunft zur Rechenschaft ziehen. Er bleibt verborgen – in seinen Wegen, seinem Ratschluss.

Stärke: Nimmt den Ernst des Leidens auf. Vermeidet billige Erklärungen.

Kritik: Bleibt am Rand zur Resignation. Ist das noch eine Beziehung, wenn Gott sich nicht nur versteckt, sondern manchmal geradezu grausam wirkt?

Ein kritischer Vorschlag: Gott zur Rechenschaft ziehen – im Glauben

Der biblische Hiob verliert alles. Freunde bieten fromme Erklärungen – doch Gott weist sie zurück. Hiobs Klage dagegen wird nicht bestraft, sondern erhört. Vielleicht besteht ein Akt radikalen Glaubens genau darin: Gott nicht aus der Verantwortung zu entlassen.

Wer leidet, darf klagen, darf schreien, darf Gott anklagen. Die Bibel kennt dafür eine Sprache: Psalmen, Klagelieder, das „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Jesu am Kreuz.

Gott wird nicht verteidigt. Er wird in Haftung genommen – und bleibt trotzdem Gott. Diese paradoxe Beziehung bewahrt vor dem Zynismus des Nihilismus und vor der Arroganz der All-Erklärung.


Die letzte Zumutung: Gott selbst

Am Ende bleibt das Unerklärliche. Aber vielleicht ist genau das der tiefste Punkt des Glaubens: Dass wir Gott nichtverstehen – und ihm doch vertrauen. Nicht weil wir alles erklären können, sondern weil wir bei aller Kritik nicht loslassen wollen.

So wie Jakob am Jabbok ringt mit Gott: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“

Gott wird uns immer fremd bleiben – und zugleich der tiefste Grund allen Lebens. Diese Spannung auszuhalten ist mehr als theologische Gymnastik. Es ist existenziell.

Abschied vom Kinderglauben – hin zu einem tieferen Gottesbild

Vielleicht liegt das Problem nicht im Leid, sondern in unserem Gottesbild. Solange wir Gott als allzeit helfenden, moralisch verständlichen Supermenschen denken, kann das Leiden nur zur Krise führen. Die Bibel aber kennt einen Gott, der sich nicht rechtfertigt. Der spricht: „Ich bin, der ich bin“ (Exodus 3,14) – nicht: „Ich bin, der euch alles erklärt.“

Ein reifer Glaube verlässt diesen anthropomorphen Kinderglauben. Er nimmt ernst, dass Gott Gutes wie Böses ermöglicht, dass er Schöpfer der Gegensätze ist. Jesaja 45,7 sagt das brutal klar: „Ich mache das Licht und schaffe die Finsternis, ich wirke das Heil und schaffe das Unheil.“

Das klingt fast gotteslästerlich – ist aber biblisch. Und es ist ehrlich. Es bedeutet nicht, dass Gott das Böse liebt, sondern dass er größer ist als unser Gut-Böse-Dualismus. Vielleicht braucht es diese Provokation, um uns zu einem höherwertigen Gottesbild zu führen: zu einem Gott, der nicht unseren Erwartungen dient, sondern wirklich Gott ist.

Dieser Gott muss sich nicht rechtfertigen. Nicht, weil er hart oder fern wäre – sondern weil er jenseits unserer Maßstäbe steht. Und vielleicht liegt gerade in dieser Zumutung eine tiefere Form von Trost: Dass wir nicht mehr glauben müssen, dass alles gut wird. Sondern dass wir gehalten sind, selbst wenn nichts gut wird.

Ein solcher Glaube führt nicht in den Atheismus. Er geht hindurch durch Zweifel, Klage, Anklage – und kommt auf der anderen Seite zu einer spirituellen Tiefe, in der Gott nicht mehr „nützlich“, aber wirklich ist.

Vielleicht ist der verborgene Gott am Ende auch ein Schutz: vor einem Gott, der uns ständig kontrolliert. Vielleicht lässt sich der Skandal des Leids nicht lösen, weil Gott nicht unser Erklärungsmodell sein will – sondern unser Gegenüber. Das ist nicht weniger herausfordernd – aber es bewahrt die Würde beider Seiten: der Menschen und Gottes.

Fazit: Theodizee als offene Wunde und als Ort des Glaubens

Wer Leid erfährt, braucht keine philosophische Abhandlung. Aber auch keine billigen Trostpflaster. Der Glaube besteht darin, inmitten des Unfassbaren nicht zu verstummen. Vielleicht ist das die einzige ernstzunehmende Theodizee: keine Antwort, sondern eine Beziehung, in der selbst das Anklagen noch Ausdruck von Vertrauen ist.

"Gott, du bist mir unbegreiflich – und doch bleibe ich bei dir."

Weiterführende Literatur

• Hans Jonas: Der Gottesbegriff nach Auschwitz

• Dorothee Sölle: Leiden

• Jürgen Moltmann: Der gekreuzigte Gott

• Martin Luther: De servo arbitrio und Predigten über Hiob

• Simone Weil: Schwerkraft und Gnade

• Elie Wiesel: Die Nacht


Gebet aus der Tiefe

Gott,

ich weiß nicht, wo du bist,

und ich weiß nicht, ob du mir noch nahe bist.

Doch ich schreie, weil ich nicht verstummen kann.

Ich klage, weil Schweigen dich verleugnen würde.

Ich halte an dir fest, selbst wenn du mich loslässt.

Du bist verborgen – und ich bin dir ausgeliefert.

Aber ich bin noch da.

Und ich hoffe, du auch.

Amen.


Diesen Text habe ich mit Hilfe von KI erstellt. Er enspricht meiner Meinung.

 
 
 

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