top of page

Zwischen Kreuz und Kalaschnikow? – Christlicher Glaube im Spannungsfeld von Krieg und Frieden

  • vw1575
  • 8. Mai
  • 4 Min. Lesezeit

Am 8. Mai 2025 jährt sich zum 80. Mal das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. Ein Tag, der mit dem Wort „Befreiung“ verbunden ist – Befreiung vom Nationalsozialismus, vom industriellen Massenmord, vom totalitären Denken. Und doch ist dieser Tag nicht nur Rückblick, sondern auch Mahnung: Wie positionieren wir uns heute – als Christinnen und Christen – zu Krieg und Frieden?


Die Frage ist brennend aktuell. In der Ukraine kämpfen Menschen um ihre Freiheit. In Gaza sterben Kinder unter Bomben. Der globale Friede ist brüchig. Zugleich stehen Christ:innen in der Nachfolge eines Mannes, der sagte: „Liebet eure Feinde.“ Wie ist das miteinander zu vereinbaren?


1. Die Gewaltfreiheit Jesu – radikal, unbequem, nicht verhandelbar?


Wer das Neue Testament liest, begegnet einer konsequenten Ethik der Gewaltlosigkeit. Jesus predigt Feindesliebe (Mt 5,44), verweigert die Selbstverteidigung mit dem Schwert (Mt 26,52) und geht selbst den Weg ans Kreuz, ohne sich zu wehren. Die Bergpredigt ist kein Handbuch für realpolitische Kompromisse – sondern eine Zumutung.


Die frühe Kirche lebte diese Ethik durchaus ernsthaft. Viele Christ:innen lehnten den Kriegsdienst ab – nicht aus Feigheit, sondern aus Überzeugung. Doch mit der zunehmenden Verflechtung von Kirche und Staat – spätestens nach Konstantin – wurde die Nachfolge Jesu staatstragend. Und die Wehrlosigkeit wich der Segnung von Waffen.


2. Pazifismus und Verantwortung – zwei alte Linien christlicher Ethik


Die christliche Friedensethik kennt zwei Grundrichtungen:

• Der christliche Pazifismus sagt: Gewalt ist nie ein Mittel des Glaubens. Menschen wie Franz von Assisi, die Täuferbewegung, die Quäker, Martin Luther King oder der junge Bonhoeffer stehen in dieser Tradition. Gewaltfreiheit ist hier kein Mittel, sondern das Ziel selbst. King etwa verstand gewaltlosen Widerstand als praktizierte Nächstenliebe und geistliche Disziplin – selbst unter Lebensgefahr.

• Doch es gibt auch die Lehre vom „gerechten Krieg“ (bellum iustum), entwickelt seit Augustinus und Thomas von Aquin. Sie stellt Bedingungen auf, unter denen ein Krieg moralisch zulässig sein kann: als Verteidigung gegen einen Aggressor, als letztes Mittel, in gerechter Absicht, mit Verhältnismäßigkeit. Diese Ethik ist kein Freibrief für Gewalt, aber sie akzeptiert, dass die Welt nicht erlöst ist – und dass es Situationen geben kann, in denen Nicht-Handeln Mitschuld bedeutet.


Bonhoeffer verkörpert genau dieses Dilemma. Aus der Bergpredigt heraus wurde er zum entschiedenen Pazifisten. Doch angesichts der NS-Verbrechen rang er sich zu einer Haltung durch, die die Beteiligung am Tyrannenmord zumindest ethisch für notwendig hielt. Er wusste, dass er Schuld auf sich laden würde – aber noch größere Schuld im Nicht-Handeln sah. Seine Theologie blieb pazifistisch, sein Handeln war verantwortungsethisch.


Eine leere Kirche mit zerbrochenem Kreuz im Vordergrund, im Hintergrund ein zerstörtes Schlachtfeld mit ausgebrannten Panzern, rauchender Horizont, grauer Himmel. Zwischen den Trümmern kniet eine einzelne, friedlich wirkende Gestalt in schlichter Kleidung und betet. Die Stimmung ist ernst, nachdenklich, symbolisch für Schuld, Umkehr und Hoffnung auf Frieden. Keine Waffen in den Händen, keine aggressiven Gesten. Lichtstrahl bricht durch die Wolken und fällt auf die betende Person.

3. Das Versagen der Kirche – eine Schuldgeschichte


Die großen Kirchen haben in kriegerischen Konflikten immer wieder versagt. Sie haben Kanonen gesegnet, Nationalismus befeuert, Soldaten verherrlicht und die Gewalt der Herrschenden theologisch legitimiert.

• Im Ersten Weltkrieg predigten viele deutsche Pfarrer vom „heiligen Krieg“. Die Kanzeln wurden zu Rekrutierungsstationen, die Predigten zu patriotischer Kriegspropaganda. Christus wurde instrumentalisiert.

• Im Zweiten Weltkrieg schwieg die „Deutsche Christen“-Bewegung zur Verfolgung der Juden, passte Jesus arisch an, und legitimierte den Vernichtungskrieg als göttlichen Auftrag. Die Bekennende Kirche leistete Widerstand – aber nur zögerlich und oft nur da, wo kirchliche Strukturen bedroht waren. Die systematische Gewalt gegen Millionen Juden, Sinti, Roma und Andersdenkende wurde selten offen verurteilt.

• In der Nachkriegszeit versäumte die Kirche oft, klar und prophetisch für Abrüstung und Gewaltfreiheit einzustehen. Zwar bekannte sich die EKD 1945 im Stuttgarter Schuldbekenntnis zur Schuld – doch dies blieb oft abstrakt. Erst mit der Friedensdenkschrift der EKD von 1981 begann ein tieferes Ringen um Friedensethik.


Dieses Erbe verpflichtet. Christliche Friedensethik darf nicht zum schweigenden Beisitzer politischer Macht werden. Sie muss unbequem sein, prophetisch, mutig – selbst auf die Gefahr hin, missverstanden zu werden.


4. Ukraine, Gaza und die Pflicht zur Parteinahme?


Im Ukrainekrieg stehen Christ:innen vor einem Dilemma: Wie kann man gegen Krieg sein – und zugleich Waffenlieferungen befürworten? Ist das Unterstützung für das Töten – oder ein Akt der Solidarität?


Ein radikaler Pazifismus müsste sagen: „Keine Waffen – unter keinen Umständen.“ Doch was heißt das für die, die überfallen wurden? Für die Kinder, die in Kellern leben? Für die Frauen, die sich nicht verteidigen können?


Pazifismus ohne Schutzkonzept kann zynisch wirken. Und zugleich ist jede „Rechtfertigung“ von Gewalt immer ein gefährlicher Grat. Christliche Ethik muss hier zweifeln dürfen. Sie muss fragen: Wird hier wirklich verteidigt – oder eskaliert? Dient Gewalt der Gerechtigkeit – oder schürt sie nur neue Gewaltspiralen?


Im Gazakrieg ist das moralische Terrain noch verminter: Israels Recht auf Selbstverteidigung steht außer Frage. Doch wie ist die massenhafte Tötung von Zivilisten, das Aushungern ganzer Stadtteile oder die gezielte Zerstörung ziviler Infrastruktur zu bewerten?


Hier zeigt sich: Christliche Ethik darf keine politischen Lager bedienen. Sie muss Partei ergreifen – für die Menschlichkeit. Für das Leben. Für Würde – hüben wie drüben.


5. Darf ein Christ Soldat sein?


Die Antwort darauf ist keine einfache.


Die Bibel kennt Soldaten – aber keine Glorifizierung. Cornelius, der römische Hauptmann (Apg 10), wird nicht zum Austritt aus dem Militär gedrängt. Johannes der Täufer sagt zu Soldaten: Tut niemandem Gewalt an – aber er fordert nicht zur Kündigung.


Pazifistische Christ:innen sagen dennoch: Der Dienst an der Waffe widerspricht der Nachfolge Jesu. Wer tötet, kann nicht gleichzeitig den anderen als Bruder erkennen.


Andere vertreten eine Gewissensethik: Ein Christ darf Soldat sein – aber er muss sein Gewissen schärfen, kritisch bleiben, Befehle prüfen, und im Zweifel auch verweigern.


Fest steht: Wer als Christ Soldat ist, steht unter besonderer Verantwortung. Nicht alles, was erlaubt ist, ist auch ethisch vertretbar. Die Grenze verläuft nicht zwischen Soldaten und Pazifisten – sondern zwischen Verantwortung und Gehorsam um jeden Preis.


6. Und heute? Frieden beginnt im Kleinen – aber nicht nur dort


Frieden ist mehr als das Schweigen der Waffen. Er ist ein Zustand der Gerechtigkeit, der Heilung, der Versöhnung. Die Bibel spricht vom „Schalom“ – einem umfassenden Frieden, der Körper, Seele und Gemeinschaft heilt.


Dieser Friede beginnt im Herzen – aber er bleibt nicht dort. Er sucht die Öffentlichkeit, das Politische, das Strukturelle. Christlicher Glaube kann nicht unpolitisch bleiben, wenn Menschen unter Bomben leben. Und er darf nicht fromm schweigen, wenn Ungerechtigkeit geschieht.


Zum 8. Mai 2025: Erinnerung als Verantwortung


Wer heute an das Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert, darf das nicht nur als historischen Meilenstein tun. Sondern als Mahnung: Nie wieder Krieg darf kein leeres Wort sein. Nie wieder Mitläufertum. Nie wieder Segnung von Waffen.


Und nie wieder eine Kirche, die schweigt, wo sie schreien müsste.


Dieser Text wurde vom mir mit Hilfe von KI erstellt und entspricht meiner Meinung.

 
 
 

Commentaires


bottom of page